Das ehemalige Kapuzinerhospiz Weil der Stadt 1640-1810
1. Der Kapuzinerorden (OFMCap)
- Die Kapuziner sind ein Bettelorden, der sich im 16. Jahrhundert in Italien von den Franziskanern abspaltete, um noch radikaler das Armutsideal des Hl. Franz von Assisi leben zu können. Sie gaben sich 1536 ihre Ordenssatzungen und wurden während der Gegenreformation in konfessionellen Mischgebieten mit dem Missionsauftrag der Rekatholisierung eingesetzt.
- Sie lebten asketisch ohne persönlichen Besitz in einfachen, kleinen Stadtklöstern. „Terminieren" (Almosenbetteln), Beichte hören, Predigen, Armenfürsorge, Krankenpflege und Volksmission bildeten ihre Hauptaktivitäten.
- Ihre Zielgruppe waren vor allem die unteren Bevölkerungs-schichten. Entsprechend war auch ihre Religiosität einfach und volksnah.
- Äußere Symbole der Demut waren ihre braune Wollkutte mit Kapuze, ihr ungepflegter Bart und das Barfußgehen in Sandalen.
2. Die Gründung des Hospizes 1640
- Der enorme Bevölkerungsschwund nach der Pest von 1635 hatte zum Zuzug von Evangelischen geführt. Um den Glaubenswechsel der Katholiken zu verhindern, erbat sich der Rat auf Veranlassung des Stadtschreibers Dr. Johann Holzing 1640 von der schweizerischen Ordensprovinz zwei Kapuziner als Missionare. Die Stadt Weil schenkte ihnen einen Bauplatz, Freifrau von Au ihren Garten und Dr. Holzing ein Häuschen, das sie zum Hospiz einrichteten. Der Stall diente als Kapelle.
- Mit großem Eifer waren die Kapuziner in der Seelsorge tätig, auch in den katholischen Dörfern der Gegend: in Dätzingen und im Gebiet (dem „Biet") der Herren von Gemmingen. Predigt, Sakramentenspendung und Marienverehrung waren die Schwerpunkte ihrer Mission.
- Die Verschonung des Hospizes beim Brand der Stadt 1648 und ein Marienwunder deuteten die Bürger als Wink des Himmels, dass die Kapuziner in der Stadt bleiben sollen.
3. Die Apostolische Mission 1650
- Als Missionserfolg verbuchten die Kapuziner, dass die Stadt das Angebot des württembergischen Herzogs Eberhard III. ablehnte, beim Wiederaufbau zu helfen, vorausgesetzt dass den Evangelischen freie Religionsausübung gestattet würde.
- 1650 ernannte der Papst daher die Niederlassung zur „Apostolischen Mission", wodurch sie direkt dem Vatikan unterstellt wurde.
- 1665 vermachte Baronin von Laimingen ihren Anteil am Hospizgarten an den Orden. Dadurch wurde die Erweiterung des baufälligen Hospizes möglich. Das stieß aber auf den erbitterten Widerstand der benachbarten Augustiner, denen das Sammelgebiet in der Diaspora für zweiKlöster zu klein erschien.50 Jahre lang kämpften sie gegen den Bau eines weiteren Bettelordensklosters.
- 1668 wurde die Mission der neu gegründeten vorderösterreichischen Ordensprovinz zugeteilt.
4. Die Kapuzinerkirche 1715
- 1669 wurde trotz des Protestes der Augustiner nach dem Plan des Ordensbaumeisters („Fabricarius") Probus Haine von Pfullendorf ein neues Hospiz mit Kapelle erbaut.
- 1701 begann der Ausbau dieser Kapelle zur Kirche, die nach dem Bauschema des Ordens einen vom Laienchor abgetrennten „Psallierchor" oder Mönchschor hatte. 1703 war der Ausbau abgeschlossen.
- Die Weihe - durch den Spanischen Erbfolgekrieg verzögert - fand erst am 6. Oktober 1715 statt, nachdem der Streit mit den Augustinern endlich beigelegt war. Kirchenpatron war der 1712 als erster Kapuziner heilig gesprochene Felix von Cantalice (1515-1587), im Volksmund „Bruder Deo gratias" genannt.
- Bei der barocken Ausgestaltung der Kirche wirkten auch italienische Bauleute vom Residenzschloss Ludwigsburg mit, die seit 1710 von den Weiler Kapuzinern seelsorgerisch betreut wurden.
5. Die Endphase der Weiler Mission
- Die „Familia" der Kapuziner bestand aus bis zu acht Patres. Das Hospiz wurde aber nicht zum Vollkloster ausgebaut und hatte auch kein Noviziat.
- Der Schwerpunkt der Missionsarbeit lag zwischen 1714 und 1741 in Stuttgart und dessen Umland. Pater Fulgentius von Konstanz hatte als Beichtvater Einfluss auf den konvertierten Prinzen und späteren Herzog Carl Alexander von Württemberg und wirkte als Seelsorger in Stuttgarter Hofkreisen.
- Nach dem Tod des Herzogs wurden die Weiler Missionare 1741 bei Nacht in einer Kutsche aus dem evangelischen Württemberg in die katholische Reichsstadt Weil abgeschoben. Damit endete die Hoffnung, Württemberg zu rekatholisieren.
- 1781 wurde das Hospiz als Folge des „josephinischen Klostersturms" der neuen schwäbischen Kapuzinerprovinz zugeteilt.
6. Die Säkularisation und ihre Folgen
- Als die Reichsstadt Weil 1802 württembergisch geworden war, ordnete die Regierung am 17.Juli 1810 die sofortige Aufhebung der Weiler Mission an, nachdem sie 170 Jahre lang bestanden hatte. Die beiden letzten Kapuziner verbrachte man ins Kloster Neckarsulm. Das Gebäude ging in Staatsbesitz über. Alle 46 Kapuzinerklöster in Baden und Württemberg wurden aufgelöst.
- 1813 verkaufte der Staat das Anwesen um 2250 Gulden an zwei Bauern aus Hofen und Öffingen. Das Inventar wurde entfernt und die Kirche in eine Scheune umgewandelt. Man brach zwei große Tore in die Westwand, was die Statik des Gebäudes nachhaltig schädigte. In die beiden Chöre wurden Zwischendecken für Wohnräume eingezogen.
- Seit 1843 nutzte die Firma Borger das Gebäude als Teppichfabrik. Bis Ende des 20.Jhs. diente das „Klösterle" wechselnden Inhabern als Wohnhaus und Scheune.